Ein Blogbeitrag von Meike Schumacher
Agile Methoden sind ja gerade hipp und jedes Unternehmen ist – spätestens seit dem ersten Lockdown – vom Gefühl her irgendwie agil. Die Frage, ab wann ein Unternehmen wirklich agil arbeitet, stellen wir mal eben zur Seite. Was mir auffällt ist, dass agilen Methoden und Rahmenwerken, wie Kanban, Scrum oder Design Thinking jeweils ein bestimmtes Image anhaftet. Wenn die Rede auf Design Thinking kommt, höre ich immer mal wieder Reaktionen wie „für solche Spielereien haben wir keine Zeit“ oder (schon mal als Post irgendwo gelesen) „Kreativparty für gelangweilte Manager“.
Woher kommt dieses Vorurteil? Ich persönlich habe noch keinen einzigen ernsthaft durchgeführten Design Thinking Prozess erlebt, der das Unternehmen nicht weitergebracht hat. Design Thinking soll
den Beteiligten Spaß machen und ja – es werden auch viele bunte Post-its geklebt! Aber Design Thinking kann sehr viel mehr bewirken, als das Betriebsklima aufzulockern! Da du vielleicht Design
Thinking nur vom Namen her kennst, fasse ich mal kurz zusammen, worum es dabei geht:
Design Thinking – was ist das eigentlich?
Design Thinking ist eine strukturierte Herangehensweise um komplexe Problemstellungen aus verschiedensten Bereichen zu lösen. Hierbei steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen konsequent im
Mittelpunkt. Die Herausforderung – die „Design Thinking Challenge“ – besteht darin, das wichtigste Bedürfnis einer Nutzergruppe unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, in denen sich die
Nutzer bewegen, zu befriedigen.
Design Thinking eignet sich also für alle Problemstellungen, bei denen Menschen betroffen sind. Beispiele hierfür sind: Produktentwicklung (auch Dienstleistungen), die Entwicklung von
Geschäftsmodellen, Arbeits(zeit-)modellen, internen und externen Prozessen, Raumgestaltung und vieles mehr. Im Gegenzug NICHT geeignet ist Design Thinking immer dann, wenn es um rein technische
Entwicklungen ohne Interaktion mit Menschen geht – wie etwa Verbesserungen an technischen Bauteilen, damit eine Maschine „runder“ läuft.
Der Design Thinking Prozess besteht aus sechs Phasen (HPI D-School) und teilt sich in zwei Abschnitte auf: den Problemraum und den Lösungsraum. Im Problemraum gilt es den späteren Nutzer der
Innovation mit seinen Bedürfnissen, Gewohnheiten, Denkweisen, Wahrnehmungen und Emotionen zu verstehen und Empathie zu entwickeln. Hierzu steht eine Reihe von Tools zur Verfügung, die von
qualitativen Interviews mit potenziellen Nutzern, über Beobachtungen bis hin zum „Nachempfinden“ einer Situation führen.
Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend im Lösungsraum Ideen entwickelt. Hier geht es zunächst darum, möglichst viele verschiedene, gerne auch wilde Ideen zu generieren. Oft
führen kuriose und auf den ersten Blick völlig unrealistische Ideen zu neuen Denkansätzen! Die favorisierte Idee wird vom Projektteam weiterverfolgt und schließlich ein Prototyp gebaut. Diese
„Prototyp“ soll den Zweck erfüllen, die Idee „begreifbar“ zu machen, so dass einem Außenstehenden – idealerweise einem Vertreter der „Nutzergruppe“ – die Idee vorgeführt und ein Feedback
eingeholt werden kann. Der Prototyp kann sowohl ein gebasteltes Modell eines Produktes, ein gezeichneter Ablaufplan, ein Rollenspiel oder sonstiges sein.
Warum ist Design Thinking so effektiv?
Klassische Produktentwicklung ist häufig technikgetrieben. Das bedeutet, dass etwas entwickelt wird, das technisch machbar ist, ohne dass es einen echten Bedarf gibt. Dieser Bedarf kann natürlich
über Marketing künstlich erzeugt werden, was häufig auch gelingt…muss aber nicht. Es kann auch etwas entwickelt werden, das ein geäußertes Bedürfnis adressiert, was aber nicht das echte Bedürfnis
ist. Ich gebe hierzu mal ein einfaches Beispiel: Stell dir vor, dein Unternehmen bezieht neue Räume. Früher wart ihr an eine Kantine angeschlossen, jetzt habt ihr keine mehr. Du als
Geschäftsführer hat den neuen Standort des Unternehmens klug gewählt – es gibt in geringer Laufentfernung einige Bistros, Metzger, Bäcker, Restaurants. Trotzdem wird von deiner Belegschaft immer
wieder geäußert, dass ihr die Kantine fehlt. Was ist das Bedürfnis der Belegschaft?
Vordergründig könnte man annehmen, dass der Weg zum Essen doch zu weit ist, das Angebot „außerhalb“ zu teuer, zu viel Zeit drauf geht etc. Als Lösung überlegst du dir, wie du ein Catering
organisieren kannst oder denkst darüber nach, zumindest einen Automaten mit täglich frischen Sandwiches aufzustellen. Wenn du alternativ versuchst, das echte Bedürfnis der Belegschaft
herauszufinden, kommt möglichweise heraus, dass es gar nicht um das Essen geht, sondern den Mitarbeiter*innen ein Ort der zufälligen Begegnung mit Kolleg*innen aus anderen Bereichen fehlt. Die
Lösung wäre hier einfach ein Raum mit Tischen und Stühlen, wo jeder sein mitgebrachtes Essen verzehrt. Design Thinking macht genau das – das echte Bedürfnis herausfinden.
Also: Warum nicht etwas tun, was Spaß macht, wenn es so viel Fortschritt bringt, wie ein Design Thinking Prozess?
P.S.: Wer über Design Thinking nicht nur lesen, sondern es mal ausprobieren möchte, kann sich gerne melden. Ich biete regelmäßig Workshops zum Kennenlernen der Methode an. Darin wird anhand einer
einfachen, vorgegebenen Problemstellung der ganze Design Thinking Prozess durchgespielt – also echtes „learning by doing! Ich habe eine Warteliste für „offene“ Workshops für Einzelpersonen oder
biete es Inhouse in Unternehmen an. Bei Interesse, melde dich einfach!